Im Jahr 2023 verstarb Pierre Legendre, einer der bedeutendsten Denker unserer Zeit. In mehr als 60 Jahren wissenschaftlicher Tätigkeit hat er ein umfangreiches OEuvre hinterlassen, das über 40 Monografien, mehr als 150 wissenschaftliche Publikationen sowie einige Dokumentarfilme umfasst. Die gesamte Tragweite und die zahlreichen Verzweigungen seines Werkes, das unter dem Namen der „dogmatischen Anthropologie“ bekannt ist, ist allerdings bisher noch nicht vollständig erfasst.
Seine Forschungsarbeit zeichnet sich insbesondere durch einen trans- und interdisziplinären Ansatz aus, der unterschiedliche Wissensgebiete miteinander in Verbindung bringt. Dazu zählen die Psychoanalyse, die Rechtsgeschichte und die Theologie bzw. Religionsgeschichte. Die Berücksichtigung dieser Spannungsfelder, in denen Legendre zufolge das Wissen über die Reproduktion der sprechenden Gattung Mensch aufbewahrt wird, führte ihn zu einer erneuerten Fokussierung der politisch- und sozialphilosophisch bedeutsamen Frage nach dem Verhältnis von menschlicher Existenz und Institution: Ist das Institutionelle für die menschliche Existenz etwas Äußerliches oder ist es ihr ein wesentlich zugehöriges Phänomen, ohne das sie selbst nicht sein könnte? Welcher Bedeutung kommt in dieser Hinsicht Legendres Begriff der „dogmatische Anthropologie“ zu? Diese Frage gewinnt in der heutigen Zeit zunehmend an Bedeutung, in der, wie Roberto Esposito treffend formuliert, konservative Institutionen und anti-institutionelle Praktiken jede politische Dialektik der Erneuerung zu verhindern scheinen.
Obwohl die Relevanz seines Denkens für unsere Gegenwart mittlerweile als unbestritten gilt, befindet sich die Rezeption von Legends Werk im deutschsprachigen Raum noch im Anfangsstadium. Um die Erforschung des Werkes von Legendre weiter voranzutreiben und auch Kolleginnen und Kollegen auf sein Denken aufmerksam zu machen, orientiert sich das Symposium an folgenden leitenden Fragen:
- Was sind die theoretischen und ideengeschichtlichen Hintergründe seines Denkens?
- Wie und was ist unter dem Begriff der „dogmatischen Anthropologie“ zu verstehen und inwiefern kommt ihm eine herausragende Bedeutung zu, über das Verhältnis von Indivduum und Institution Auskunft zu geben?
Anhand dieser Leitfragen zielt das Symposium darauf ab, die Relevanz und Aktualität von Legends Werk aus den Perspektiven von Recht, Religion und Psychoanalyse zu diskutieren. Damit soll nicht zuletzt sein Denken einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Gastsprecher
- Dr. Katrin Becker (Universität Luxemburg)
- Dr. Marina Laurent (Universität Luxemburg)
- Prof. Dr. Rainer Maria Kiesow (École des Hautes Études en Sciences Sociales)
- Assoz. Prof. DDr. Ulrike Kadi (Medizinische Universität Wien/ Universität Wien)
- Dr. Peter Anna Zeillinger (Universität Wien)
- Kanau Kobayashi MA (Universität Wien)
Datum
- 30. Januar 2025 (Do.)/10:00 bis 18:00 Uhr
Ort
- HS I. ETF, 5 Stock (1010 Wien, Schenkenstraße 8-10)
Form der Veranstaltung
- Das Symposium wird hybrid stattfinden (Für die Online-Teilnahme wenden Sie sich bitte an die unten angegebene Kontaktadresse).
Sprache
- Das Symposium wird in deutscher Sprache durchgeführt.
Kooperation
- Vienna Doctoral School of Philosophy (VDP)
- Vienna Doctoral School of Theology and Research on Religion (VDTR)
- Forschungszentrum “Religion and Transformation in Contemporary Society” (RaT)
Kontakt
- Kanau Kobayashi (a12138695@unet.univie.ac.at)