Workshop mit Georg Essen „Fragile Souveränität. Eine politische Theologie“, 12 Juni 2019
Workshop mit Georg Essen „Fragile Souveränität. Eine politische Theologie“, 12 Juni 2019
Am 12. Juni 2019 hielt Georg Essen (Universität Bochum) einen Workshop zu seinem aktuellen Buchprojekt mit dem Titel „Fragile Souveränität. Eine politische Theologie“. Zentraler Ausgangspunkt des Projektes ist die Frage, wie Religionen die Grundkonzepte und Errungenschaften des modernen Verfassungsstaates, wie Religionsfreiheit, Toleranz und Volkssouveränität, affirmieren können und wie eine solche Affirmation im Kontext einer jeweils spezifischen Verfassungskultur aussehen kann. Vor dem Hintergrund dieser dringlichen Problematik wurde die Frage gestellt, ob das katholische Narrativ der nachholenden Selbstmodernisierung durch das zweite Vatikanische Konzil noch Plausibilität hat. Essen stellte fest, dass es jedenfalls bis heute keine kirchliche Affirmation der Volkssouveränität gebe. Das Verhältnis der römisch-Katholischen Kirche zur Volkssouveränität und zur liberalen Demokratie sei bis heute nicht aufgearbeitet worden. Seitdem Orban die antiliberale Demokratie als christliche Demokratie bezeichnet hat, habe sich das Problem noch verschärft. Dabei wäre die Anerkennung der Volkssouveränität ein wichtiges Modell für die Kirche, um die rechtsstaatlichen Errungenschaften der Moderne anzuerkennen. In seinem Ansatz einer politischen Theologie geht es Essen, anders als Johann Baptist Metz, der einen wichtigen Bezugspunkt für ihn darstellt, nicht vorrangig um eine Kritik von gesellschaftlichen Praktiken, sondern vielmehr darum, das Autonomieprinzip so zu affirmieren, dass es auch theologisch grundgelegt ist.
Mit Böckenförde wurden die vorpolitisches Grundlagen des Staates reflektiert und die Genese des modernen Staates in Hinblick auf seine Herkunftsbedingungen bedacht. Hierbei ist es entscheidend, die fragile Dimension des Rechts und der Souveränität zu bedenken, dabei aber auch die Leistungsfähigkeit rechtlicher Kategorien nicht aus dem Blick zu verlieren. Es zeigt sich, dass modernes Recht durch eine Entkopplung von Moralität und Legalität gestützt wird. Das Recht hängt von einem Formalcharakter ab, nicht jedoch von Wahrheit oder Moralität, seine Geltung speist sich vielmehr aus der Rechtssatzung. Essen arbeitete heraus, dass der Vorteil des Rechts somit auch immer der Nachteil des Rechts ist. Denn einerseits macht es eine Freiheitsdimension des Rechtes aus, dass es zwar Gesetzeskonformität, aber keine innere Haltung gegenüber dem Gesetz verlangt. Andererseits kann eine Herrschaftsform wie die Demokratie nicht bloß rechtsstaatlich gegründet sein, sondern verlangt für ihr Funktionieren Anerkennung und Zustimmung als vorrechtliche Voraussetzungen. Die rechtsstaatliche Demokratie ist deshalb noch nicht an sich selbst die einzige Quelle von Normativität, sondern fordert auch zur Reflexion auf andere als die rechtliche Form von Normativität, welche Ethik und Geschichtlichkeit einschließen.
Die Volkssouveränität als diejenige Herrschaftsform, die nur legitimiert ist, wenn sie durch diejenigen legitimiert ist, die der Herrschaft unterworfen sind, wurde damit eindrücklich in ihrer leistungsfähigen und zugleich fragilen Dimension herausgearbeitet, deren Anerkennung durch die Religion als bleibende Aufgabe dargestellt wurde.