Tagung "Die Moderne und die Vielfalt christlicher Reformbewegungen / Modernity and the Variety of Reformations", 12.6.2015
Die international besetzte und mehrsprachige Tagung wurde von der Forschungsplattform RaT, dem Institut für Christliche Philosophie (Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien) sowie dem Titus-Brandsma-Institut / Center for Contemporary European Philosophy der Radboud Universität in Nijmegen veranstaltet.
Tagungsleitung und Konzept: Hans Schelkshorn, Inigo Bocken, Herman Westerink.
Der europäische Diskurs über die Moderne war seit dem 19. Jahrhundert hauptsächlich durch zwei historische Referenzen determiniert: Auf der einen Seite sah Hegel in Luther und Descartes die Protagonisten des rationalen Subjekts der Moderne. Auf der anderen Seite stellte Jacob Burckhardt die säkulare Entdeckung des Menschen und der Welt durch den Renaissancehumanismus als entscheidende Wurzel der Moderne heraus. Beide Deutungsrichtungen sind durch die historische Forschung inzwischen fraglich geworden. Die Renaissance erscheint heute eingebettet in einen breiten Strom christlicher Reformbewegungen, die vom 12. Jahrhundert bis zum Konfessionellen Zeitalter reichen. Vor diesem Hintergrund müssen die Beziehungen zwischen Renaissance/Reformation und Moderne neu bestimmt werden.
Nach einem Überblick über die wichtigsten Paradigmen des Modernediskurses und der Bestimmungder frühen Neuzeit als Anbruch einer Zweiten Achsenzeit durch Hans Schelkshorn (Wien; RaT), stellte Gerrit Steunebrink (Nijmegen) Hegels christliche Deutung der Moderne dar. Nach Ron Rittgers (Valparaiso/USA) durchzieht das Thema „Leiden und Trost“ zahlreiche spirituelle Bewegungen seit dem 14. Jahrhundert, einen Themenkomplex, von dem aus bedeutsame Entwicklungslinien der Moderne verständlich werden. Herman Westerink (Nijmegen) zeigte anhand einer Fallstudie, nämlich der Geschichte von Franciscus Spira, einem Protestanten, der mit der Inquisition und Konflikt gerät und schließlich Selbstmord begeht, die spirituellen und politischen Widersprüche und Polyvalenzen des 16. Jahrhunderts. Den Abschluss der Tagung bildeten zwei Vorträge über Ignatius von Loyola: Antonio Senent de Frutos (Sevilla) deutete die jesuitische Bewegung, die bereits im 16. Jahrhundert dieGrenzen der Ökumene überschritt,als eine frühe Alternative zur technisch-kapitalistischen Moderne, eine Deutung, die heute in der lateinamerikanischen Philosophie intensiv diskutiert wird. Inigo Bocken (Nijmegen) stellte mit Michel de Certeau die Beziehungen zwischen dem übenden Denkender ignatianischen Exerzitien und modernen Denkformen her.
Die Tagung fand bei nahezu tropischen Temperaturen im Sitzungssaal des Dekanats der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Wien.