European Academy of Religion 2025: Ein Rückblick
European Academy of Religion 2025: Ein Rückblick
Nach langer Vorbereitungsarbeit hat von 08.–12. Juli 2025 die vom Forschungszentrum Religion and Transformation in Contemporary Society (RaT) organisierte Jahreskonferenz der European Academy of Religion im Hauptgebäude der Universität Wien stattgefunden. Es war eine große Ehre, von der Academy mit der Organisation einer so gewichtigen wissenschaftlichen Veranstaltung betraut zu werden, wodurch zugleich die Rolle von Wien als Standort der Theologie und Religionsforschung unterstrichen werden konnte. Das Organisationsteam ist besonders stolz darauf, dass der Rektor der Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Sebastian Schütze, die Konferenz durch seine einleitenden Worte am Abend des 8. Juli eröffnet hat, wodurch der hohe Stellenwert der Veranstaltung für die Universität besonders hervorgehoben wurde.
Nach dem Eröffnungsabend konnten sich die fast 1.200 Teilnehmerinnen, die aus über 60 Ländern aus aller Welt nach Wien angereist waren, im Laufe von vier Tagen bei über 200 Panels über den aktuellen Stand der Forschung in ihren jeweiligen Disziplinen austauschen. Dabei wurden zeitgenössische sowie historische Fragestellungen aus den verschiedensten religiösen Traditionen aus einer Vielzahl an geistes- und sozialwissenschaftlichen, theologischen, philosophischen und rechtswissenschaftlichen Blickwinkeln behandelt.
Wie jedes Jahr war der Konferenz auch diesmal ein allgemeines Motto vorangestellt: Religion and Socio-Cultural Transformation: European Perspectives and Beyond. Durch die Wahl dieses Themas sollte daran erinnert werden, dass Religion bei den Veränderungsprozessen, mit denen sich Gesellschaften auf globaler Ebene derzeit konfrontiert sehen (Digitalisierung, Klimakrise, Migration, Individualisierung etc.), eine entscheidende Rolle spielt. Besonders deutlich wird dies durch das gegenwärtig zu beobachtende Zusammentreffen von zunehmender Säkularisierung einerseits mit der wachsenden Sichtbarkeit von Religion durch Migration und religiöse Pluralisierung andererseits.
Wie wirken sich diese Prozesse auf religiöse Gemeinschaften aus und was tragen Religionen ihrerseits zur Bewältigung oder auch Vertiefung der gegenwärtigen Krisen bei? Bieten religiöse Gemeinschaften mit ihren kulturellen Ressourcen Potentiale, um den Zusammenhalt zwischen den Menschen in einer sich immer schneller wandelnden Welt zu stärken oder wird durch sie eher die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben?
All diesen Fragen haben sich die Eröffnungsreden und die insgesamt sechs Keynote-Lectures der Konferenz aus unterschiedlicher Perspektive angenähert: Zu Beginn thematisierte der Rektor der Universität Wien, Sebastian Schütze, die Rolle der Religionsforschung im universitären Kontext unserer heutigen Zeit. Anschließend leitete der Präsident der Academy, Herman Selderhuis, in das Generalthema des Kongresses ein und Kurt Appel, der Sprecher von RaT, stellte das Forschungszentrum vor und brachte die dort thematisierten gesellschaftlichen und religiösen Herausforderungen zur Sprache. Nach diesen einleitenden Ansprachen wurden die Keynotes durch den Vortrag des ehemaligen EU-Kommissars und Präsidenten des Europäischen Forum Alpbach, Franz Fischler eingeleitet, der der Frage nachging, vor welche Herausforderungen sich das friedliche Zusammenleben von säkularer und religiöser Welt angesichts der gegenwärtigen globalen Konflikte heute gestellt sieht. Anschließend präsentierte Grace Davie, Universität Exeter, in einem soziologischen Querschnitt, wie sich die Situation der Religion in Europa heute gegenüber den Diagnosen der frühen 2000er-Jahre verändert hat.
Am Mittwochabend, nach dem ersten vollen Konferenztag, sprach Rik Torfs von der KU Leuven über die sich wandelnde Rolle der Religion in säkularisierten Gesellschaften und über den rechtlichen Niederschlag dieser Veränderungen. Dabei stellte er die Frage, welche Herausforderungen und potenzielle neue Bedrohungen für die Religionsfreiheit daraus heute erwachsen.
Der an der University of Bristol lehrende Soziologe Tariq Modood wiederum stellte am Donnerstagabend die zentralen Thesen seines jüngsten Buchs (gemeinsam mit Thomas Sealy) „The New Governance of Religious Diversity“ (2024) vor. Darin verbinden die Autoren einen empirischen mit einem normativen Ansatz und untersuchen, wie staatliche Kontrolle religiöser Pluralität in diversen Ländern auch jenseits der atlantischen Modelle geschieht. Darüber hinaus stellen sie die Frage, wie Staaten mit Mehrheitsreligionen interagieren sollen, um religiöse Minderheiten und Pluralität im Sinne eines „multicultual secularism“ zu fördern.
Das Verhältnis von Religion und Politik im Zeitalter der sich abzeichnenden multipolaren Weltordnung stand wiederum im Zentrum der Keynote des an der Universität Wien lehrenden Religionsphilosophen Hans Schelkshorn. Die global zunehmende Infragestellung von Menschenrechten und Demokratie im Namen von religiösen Traditionen stelle dabei die interkulturelle Religionsphilosophie vor neue Herausforderungen, so Schelkshorns These.
In ihrem Vortrag am Samstag, der zugleich den Schlusspunkt der Konferenz bildete, ging Isabella Guanzini von der Katholischen Privat-Universität Linz den Potentialen von Religionen in den Transformationsprozessen einer säkularen Gesellschaft nach und ging dabei von Kristevas Gedanken eines "unglaublichen Bedürfnisses zu glauben" aus. Sie analysierte die symbolischen Ressourcen von Religionen, um mit der fundamentalen Verletzlichkeit der conditio humana umzugehen.
Die bei der Konferenz präsentierten Forschungsergebnisse und Thesen werden auch einen publizistischen Niederschlag finden: Zunächst werden die Keynote-Lectures in der Publikationsreihe der EuARe , der EuARe Lectures Book Series, veröffentlicht (open access), das Forschungszentrum RaT wird anschließend im Jahr 2026 einen Band der JRAT-Supplementa-Reihe mit den Keynotes und weiteren zwanzig ausgewählten Beiträgen des Kongresses herausgeben (ebenfalls open access).
Neben den Keynotes und Panels konnte für die Teilnehmenden ein abwechslungsreiches Angebot an Side Events organisiert werden, die neben Gelegenheiten zum Austausch in lockerer Atmosphäre auch dazu einladen sollten, den Konferenzort Wien näher kennenzulernen. Neben dem Empfang am Dienstag, durch den der Eröffnungsabend einen kulinarischen Ausklang fand, stand u.a. eine Einladung zu einem traditionellen Wiener Heurigen, ein Jazzkonzert und ein Besuch des Stifts Melk auf dem Programm. Außerdem fand an drei Tagen im traditionellen Wiener Café Landtmann ein Women*’s Breakfast statt, bei dem ein Raum zum Austausch und zur Vernetzung von Frauen in der Religionsforschung angeboten wurde.
Die Forschungslandschaft der Konferenz wurde durch den Beitrag des Teams des vom FWF geförderten Projekts PHILOSOPHY IN THE ARTS : ARTS IN PHILOSOPHY bereichert. Die Installation Heart Lab Tower im Arkadenhof der Universität Wien wurde zu einem poetischen Forschungsraum. Am Eröffnungsabend der Konferenz wurde der Tower Bühne einer multimedialen Lecture-Performance und diente an den folgenden Tagen als Raum für Workshops, die das Programm ergänzten. Als interdisziplinärer Forschungsort eröffnete der Heart Lab Tower Erkundungen zur Bedeutung des Herzens an der Schnittstelle von Philosophie, Religion und Kunst.
Besonders erwähnt sei in diesem Rahmen auch noch das von der Vienna Doctoral School of Theology and Research on Religion organisierte Vernetzungstreffen für Jungwissenschaftler*innen und der von der Doctoral School im Vorfeld der Tagung gemeinsam mit Studierenden gestaltete Audioguide "Exploring Vienna's Religious Tapestry" zu verschiedenen Orten des religiösen Lebens in der Wiener Innenstadt, der von den Teilnehmenden im Rahmen zahlreicher Führungen ausprobiert werden konnte.
Die Durchführung einer Veranstaltung dieser Größenordnung wäre ohne die Unterstützung von vielen Stellen in- und außerhalb der Universität nicht möglich gewesen: Als erstes sei hier das Team der European Academy of Religion erwähnt, dem das Organisationsteam der Konferenz für die hervorragende Zusammenarbeit während vieler Monate sehr herzlich dankt.
Innerhalb unserer Universität haben wir uns besonders über den Beitrag der Evangelisch-Theologischen Fakultät, der Katholisch-Theologischen Fakultät und der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft gefreut, die durch ihre großzügige finanzielle und personelle Unterstützung die Konferenz mit ermöglicht haben. Außerdem danken wir dem gesamten Team und den Mitgliedern des Forschungszentrums Religion and Transformation für die tolle Unterstützung im gesamten Organisationsprozess.
Nicht zuletzt möchten wir auch die Arbeit der vielen Studierenden würdigen, die uns – im Rahmen einer vom Organisationsteam der Konferenz organisierten Lehrveranstaltung – in Gestalt des Student Organizing Committee vor und während der Veranstaltung geholfen haben und den Teilnehmenden während der Konferenz mit Rat und Tat zur Seite standen.
Abseits der Universität gilt unser Dank dem Büro des Bürgermeisters der Stadt Wien sowie dem Vienna Meeting Fund für die gewährte Förderung und die Einladung zum Heurigen Fuhrgassl-Huber, die vielen unserer Teilnehmenden sicher als eines der (kulinarischen) Highlights der Konferenz in guter Erinnerung bleiben wird. Das Stift Melk hat uns durch einen Rabatt bei den Führungen für unsere Teilnehmer*innen geholfen. Zu guter Letzt sei noch die konfessionsübergreifende Unterstützung religiöser Institutionen in Österreich erwähnt, die uns die Finanzierung eines Stipendienprogramms für Nachwuchswissenschaftler*innen erlaubt hat. Dafür danken wir sehr herzlich der Erzdiözese Wien, den Diözesen Innsbruck, Gurk-Klagenfurt und Graz-Seckau, Stift Admont und Stift Göttweig, der Evangelische Kirche A.B. in Österreich und der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.
Das Organisationsteam der EuARe 2025 in Wien
Noemi Call, Marco Fiorletta, Rudolf Kaisler, Marleen Thaler und Marian Weingartshofer