Lektüreworkshop zu Fichtes Transzendentaler Logik mit Alexander Schnell, 10. Juni 2022, 15.00-18.30 Uhr

Am 10.06.2022 veranstaltete das Forschungszentrum RaT in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Alexander Schnell und mit Unterstützung von Michael Boch einen lektürebasierten Workshop zur transzendentalen Logik in Johann Gottlieb Fichtes (1762 - 1814 ) Spätwerk. Die Veranstaltung wurde durch einen Vortrag von Prof. Dr. Alexander Schnell eröffnet. In diesem setzte er die letzte Schaffensperiode Fichtes (1810 - 1814) ins Verhältnis zum Frühwerk (1794-1799) und zum mittleren Werk (1801-1807). Während das Frühwerk noch im Zeichen der fichtischen „Ichphilosophie“ stand und das absolute Ich ihr höchster Begriff war, wurde in der mittleren Phase der Wechsel zum Absoluten als höchstem Punkt der Reflexion vollzogen. Das Absolute und sein Verhältnis zur Faktizität und Empirie ist nun das Thema von Fichtes bisher nur wenig erforschten Berliner Jahren ab 1810. 

Diese zeichnen sich dadurch aus, dass Fichte nicht nur  die Wirklichkeit als Erscheinung des Absoluten oder Gottes zum Kernthema seiner Philosophie macht, sondern gleichzeitig den Übergang vom Absoluten zur empirischen Erkenntnis explizit ableitet. Hierbei kommt dem Ich, welches im Frühwerk Fichtes noch im Fokus stand, Erscheinungscharakter hinzu. Ausgehend vom Begriff der Erscheinung entfaltet Fichte eine komplexe Bildlogik, die das Bild nicht nur als Abbild, sondern in seiner Bildungsdynamik bestimmt. Dabei bleibt Fichte jedoch der Transzendentalphilosophie verpflichtet und lässt sich so als eine alternative Vollendung der Kantische Philosophie neben Schelling und Hegel denken. 

Michael Boch, der über Fichtes Vorlesungen zur Transzendentalen Logik bei Prof. DDr. Kurt Appel und Prof. Dr. Alexander Schnell promoviert, kontextualisierte in seinem Vortrag die Transzendentale Logik in Fichtes Berliner Vorlesungszeit (1810-1814). Sie stellt neben der TL I eine der beiden logischen Einleitungsvorlesungen in die Wissenschaftslehre da. In dieser grenzt Fichte sein transzendentallogisches Projekt einer Bildlehre von der formalen Logik seiner Zeit ab und interpretiert ersteres als logische Version der Wissenschaftslehre. Dieser kommt besondere Bedeutung zu, da Fichte aufgrund seines frühen Todes und des Krieges mit Napoleon seine abschließenden Wissenschaftslehren 1813 und 1814 nicht vollständig vortragen und die zentralen Einsichten der TL in diesen nicht mehr einarbeiten konnte. 

Als Thema der zu diskutierenden Abschnitte aus der TL II war Fichtes Deduktion des Raumes ausgewählt worden. In seinem zweiten Vortrag zeichnete Prof. Dr. Alexander Schnell die Entwicklung der raumphilosophischen Überlegungen Fichtes durch das Gesamtwerk nach. Dabei konnte eine kontinuierliche Entwicklung des Raumbegriffes und der Methoden seiner Ableitung in den Blick genommen werden. Abschließend wurden, von Michael Boch eingeleitet, ausgewählte Stellen aus der TL II zusammen gelesen und diskutiert. Grundlage für die Lektüre war die schon 1834 von Immanuel Hermann Fichte veröffentlichte zweite Vorlesung zur Transzendentalen Logik aus dem Jahr 1812 mit dem Titel „Vom Unterschiede zwischen der Logik und der Philosophie selbst, als Grundriss der Logik und Einleitung in die Philosophie.“ In dieser Vorlesung gibt Fichte eine Einführung in die logischen Prinzipien seiner Wissenschaftslehre in Bezug auf die reinen Begriffe der Erkenntnis. In einer kritischen Auseinandersetzung mit Kant bestimmt er das Bild als Einheit von Anschauung und Begriff zum Grundbegriff seiner Logik. Im Zentrum standen hierbei einerseits die Fragen der Bildlogik und Fichtes Deduktion des Raumes aus dem Ich und andererseits Gemeinsamkeiten und Differenzen von Fichtes Bildlehre und transzendentaler Logik zu Hegels Phänomenologie des Geistes und seiner Wissenschaft der Logik. 

Impressionen