Politics of Dis-Enclosure. Religion - Community - Violence
Politics of Dis-Enclosure. Religion - Community - Violence
Konferenzbericht
Einleitung
Von 26. bis 27. April fand die von RaT mit Unterstützung der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft organisierte Konferenz „Politics of Dis-Enclosure. Religion – Community – Violence“ statt. Es war uns eine besondere Ehre, dass wir für den Eröffnungsvortrag der Konferenz einen der aktuell wichtigsten Denker des postkolonialen Diskurses, den Historiker und Philosophen Achille Mbembe, gewinnen konnten.
Während wir am ersten Tag der Veranstaltung rund 50 Gäste im Sitzungssaal des Dekanats der KTF am Hauptgebäude begrüßen durften, wurden wir am zweiten Konferenztag vom wunderschönen Stift Melk empfangen, wo wir zum Abschluss des Tages eine Führung durch eine der schönsten Bibliotheken Österreichs genießen durften.
Thematisch stand die Konferenz ganz im Zeichen des Begriffs „dis-enclosure“, der vom mittlerweile verstorbenen französischen Philosophen Jean-Luc Nancy in seinem 2005 erschienen Buch „La Déclosion, Déconstruction du christianisme I“ (in der deutschen Übersetzung lediglich: „Dekonstruktion des Christentums“) geprägt wurde. Der Begriff steht, allgemein gesprochen, für das spannungsreiche und nicht auf simple Antworten reduzierbare Verhältnis von Öffnung und Einschluss, das stets ambivalente Verhältnis zum – äußeren wie inneren – Anderen, wie es sich, exemplarisch, in der sog. abendländisch-christlichen Denktradition darstellt.
Das detaillierte Programm mit allen Abstracts der Vorträge findet sich hier.
Zusammenfassung der Vorträge
Der Eröffnungsvortrag der Konferenz wurde von einem der bekanntesten Vertreter des postkolonialen Denkens, dem Historiker und Philosophen Achille Mbembe, gehalten. In seiner Präsentation ging er der Frage nach, wie wir angesichts der immer noch herrschenden globalen Ungerechtigkeiten und der heraufziehenden Klimakrise dazu aufgefordert sind, unser Verhältnis zum Planeten Erde und zu menschlichen wie nichtmenschlichen Formen des Lebens neu zu bestimmen.
Die beiden daran anschließenden Vorträge der südafrikanischen Professorin Louise du Toit und von Nabil Echchaibi von der Universität Colorado legten den Fokus stärker auf die schreckensgeladene Geschichte der Sklaverei und des Kolonialismus und die Reflexion dieser die Welt bis heute prägenden Wunde im Denken afroamerikanischer, afrikanischer und afro-karribischer Denker*innen. Während Prof. du Toit aus feministischer Perspektive kritische Rückfragen an das Denken Mbembes – nämlich inwiefern die Figur des „black man“ spezifisch weibliche Erfahrungen und Zugänge ausschließe – stellte, legte Nabil Echchaibi den Fokus auf Denker wie den Dichter Edouard Glissant und die Reflexion der historischen und anhaltenden Entmenschlichung und Einschließung der Menschen des Globalen Südens.
Der zweite Tag der Konferenz wurde von der schwedischen Professorin und Pastorin Petra Carlsson eröffnet, die sich dem Volk der Sámi und der Geschichte ihrer „Beforschung“ durch europäische Ethnolog*innen widmete und dabei den Fokus auf den heutigen Umgang der Mitglieder dieser Volksgruppe mit dieser Unterwerfung unter den objektivierenden Blick des Anderen legte: Die Sámi sind es zunehmend müde, den Zugriff von außen über sich ergehen zu lassen und treten mehr und mehr als Subjekte auf, die ihre eigenen Interessen vertreten und ihren Lebensstil und ihre Kultur verteidigen.
Prof. Hans Schelkshorn von der Universität Wien richtete anschließend den selbstkritischen Blick auf Europa und stellte die Frage, ob das Verdikt von Aimé Césaire, dass Europa auf geistiger Eben „unhaltbar“ sei, das letzte Wort behalten muss oder ob – mit der Hilfe von bzw. dem Dialog mit außereuropäischen und postkolonialen Denktraditionen – eine rettende „Dekonstruktion“ bestimmter gedanklicher Momente des sog. „Abendlandes“ möglich sei.
Zum Abschluss der Konferenz griff Anke Graneß von der Universität Hildesheim das Stichwort des „außereuropäischen Denkens“ auf und zeigte, wie sehr in der klassischen europäischen Philosophiegeschichtsschreibung die Denktraditionen anderer Teile der Welt ausgeblendet oder als nicht ernstzunehmende geistige Produkte sog. „primitiver“ Völker marginalisiert wurden. Damit griff sie ein schon im ersten Vortrag der Konferenz präsentes Thema auf, das als verbindender roter Faden der beiden Tage gesehen werden kann: Eine Chance auf globale Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn sich unser Denken radikal öffnet und den verdrängten, in einer Jahrhunderte währenden Gewaltgeschichte zum Schweigen gebrachten Stimmen endlich Gehör schenkt.